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Nach­hal­ti­ge Per­spek­ti­ven für ein Pa­ra­dies: IN­FI­NI­TY ver­bes­sert Er­näh­rungs­si­che­rung auf Mau­ri­ti­us  

22.10.2021, Nach­ge­forscht :

Wie können innovative Technologien für eine bessere Lebensmittelversorgung in Schwellenländern sorgen – und wie lässt sich das dafür notwendige Know-how nachhaltig vermitteln? Dieser Frage widmet sich das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderte Projekt INFINITY, in dem die HNU gemeinsam mit der University of Mauritius (UoM) an Lösungen für eine höhere Ernährungssicherheit forscht.

Der erste Teil des Projekts steht bereits in den Startlöchern: Ab Herbst 2022 bringt der Masterstudiengang „Intelligentes Informationsmanagement“ Agro-Entrepreneur:innen und Unternehmer:innen das technologische Wissen näher, mit dem die Agrar- und Lebensmittelwirtschaft auf Mauritius künftig vorangetrieben werden kann. Wir haben uns mit Projektleiter Prof. Dr. Heiko Gewald (öffnet neues Fenster) und Axel Hund (öffnet neues Fenster) vom Institut für Dienstleistungsmanagement (CROSS) (öffnet neues Fenster) an der HNU darüber unterhalten, wie das Projekt mit der mauritischen Partnerhochschule zustande kam, welche Expertise die HNU-Forscher beisteuern und wie der gemeinsam konzipierte neue Masterstudiengang auf der Insel einen nachhaltigen Beitrag zur nachhaltigen Ernährungssicherheit liefern kann.

University of Mauritius (UoM)

Uni­ver­si­ty of Mau­ri­ti­us

Die University of Mauritius (öffnet neues Fenster) (UoM), die älteste und größte Universität des Inselstaats,  entstand aus der 1914 etablierten School of Agriculture und wurde 1965 offiziell begründet. An der heutigen Fakultät für Landwirtschaft (Faculty of Agriculture) werden in den beiden Departments Agricultural & Food Science und Agricultural Production & Systems Lösungen für die stetig wachsendenen Herausforderungen auf dem lokalen Agrarsektor entwickelt. 

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Lebensmittelversorgung auf Mauritius: „Man darf sich von den Luxushotels nicht blenden lassen“

Schneeweiße Strände und türkisblaues Wasser: Mauritius gilt gemeinhin als Inbegriff eines Urlaubsparadieses. Doch das ist nur eine Seite des gut 2000 Quadratkilometer großen Inselstaats im indischen Ozean – hinter Lagunen und Honeymoon-Suiten trifft man auf die Realität einer Republik, die zwar zu den wohlhabendsten Ländern des afrikanischen Kontinents gehört und sich in den letzten Jahren vom Entwicklungs- zum Schwellenland gewandelt hat, derzeit aber vor gravierenden Herausforderungen steht. „Man darf sich von den Luxushotels nicht blenden lassen“, sagt Prof. Dr. Heiko Gewald, der die Insel im Rahmen mehrerer Forschungsaufenthalte kennengelernt hat. „Die Lebensumstände sind teils prekär“. Ein weiterer Grund zur Sorge sind immer wieder auftretende Engpässe in der Lebensmittelversorgung: Durch seine geographische Lage muss Mauritius den Großteil – gut 70 Prozent – seiner benötigten Lebensmittel importieren. Durch COVID19 wurde die ohnehin problematische Zulieferungskette noch einmal stark angeschlagen; ernste Engpässe und Ausfälle der Grundnahrungsmittelversorgung waren die Folge. Erschwerend kommt hinzu, dass der Inselstaat nur begrenzt Überblick über seine tatsächlichen Importbedarfe hat. „Data Analytics oder Forecasting wird etwa kaum genutzt“, erklärt der Forschungsprofessor. „Das bietet in Sachen Informationsmanagement viel Spielraum zur Optimierung“.

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Technologischer Fortschritt: Die Weichen müssen jetzt gestellt werden

Mauritius muss und will die neuen technologischen Möglichkeiten nutzen – und die Weichen dafür müssen jetzt gestellt. werden. An dieser Stelle setzt das Projekt INFINITY an, das seit Juni 2021 gemeinsam von der HNU und der UoM (University of Mauritius) betrieben wird. Die beinahe 9.000 Kilometer Luftlinie voneinander entfernt liegenden Hochschulen verbindet seit langen Jahren eine enge Forschungsbeziehung mit großen Überschneidungen im wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse – und so kam die gemeinsam von BMBF und DAAD ausgeschriebene Projektförderung im vergangenen Jahr thematisch genau zum richtigen Zeitpunkt: Sie knüpft an die Afrika-Strategie des BMBF an und zielt dabei insbesondere auf die Förderung von wissenschaftlichem Nachwuchs, Beschäftigungsfähigkeit und Forschungszusammenarbeit zur Stärkung der Sustainable Development Goals der UN Infobox ab. So vereint das doppelt geförderte INFINITY-Projekt nun zwei unterschiedliche, aber miteinander verknüpfte Teile unter dem gemeinsamen Dach einer verbesserten Lebensmittelversorgung: Das vom DAAD geförderte Modul „Aus- und Fortbildung“ dient der Implementierung eines neuen Studiengangs für den nachhaltigen Wissenstransfer; der BMBF-geförderte Forschungsteil widmet sich dem Einsatz von Big Data und KI in der regionalen Lebensmittelproduktion. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen die mauritischen Akteur:innen dazu befähigen, mittels digitaler Innovationen eine bessere und sicherere Versorgung der Bevölkerung mit regional produzierten Lebensmitteln zu leisten.  

Sustainable De­ve­lop­ment Goals

Die 2016 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Sustainable Development Goals (deutscher Kurztitel: Agenda 2030) dienen der weltweiten nachhaltigen Entwicklung in ökonomischer, ökologischer und sozialer Verantwortung; Ernährungssicherheit ist eines der Themen der Zielsetzung.

Er­näh­rungs­si­cher­heit

basiert auf den vier Grundsäulen Verfügbarkeit, Zugang, Nutzung und Stabilität. Sie ist im entwicklungspolitischen Sinne dann gegeben, wenn Menschen zu allen Zeiten Zugang zu der für ein aktives und gesundes Leben notwendigen Nahrung haben (Def. Weltbank/EU).

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„Intelligentes Informationsmanagement“ für Agro-Entrepreneur:innen und Manager:innen

Die Arbeit am ersten Teilbereich, der für einen nachhaltigen Aufbau des lokalen Know-hows führen sollen, ist bereits in vollem Gange: Axel Hund und seine Kolleg:innen an der UoM arbeiten derzeit das Curriculum des Studiengangs aus, der in Teilzeit konzipiert ist: „Auf Mauritius ist es gang und gäbe, das Masterstudium in Teilzeit zu absolvieren – was natürlich auch daran liegt, dass die Leute parallel ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen, ein Vollzeit-Masterstudium kann sich kaum jemand leisten“. Ziel ist es, Interessierte mit Vorwissen im Agrarbereich vertieft in Richtung Computer Science und Informationsmanagement auszubilden – angefangen bei den Basics („Was ist ein Informationssystem, was ist eine Datenbank?“) bis hin zu weiter fortgeschrittenen Themen wie BlockchainInfobox, Data Analytics und Künstliche Intelligenz (KI). Dafür hatte das mauritisch-deutsche Forschungsteam bereits eine umfangreiche Status-Quo-Analyse erhoben und in Umfragen und Workshops abgeklopft, wie die Bedarfe in lokalen Unternehmen genau gestaltet sind und welche Lücken im Wissensstand vor Ort geschlossen werden müssen.

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Die HNU als konstruktiver Sparringspartner

Die HNU-Wissenschaftler steuerten hier ihre Erfahrung bei der Konzeption und Implementierung neuer Studiengänge bei und unterstützten die UoM unter anderem bei der Definition und Identifikation ihrer Zielgruppe. Mittels Personas konnten so die zukünftigen Studierenden konturiert werden: Personen, die bereits im Berufsleben stehen und die Benefits von innovativen Technologien für ihre Arbeit erkennen und nutzen können. In die Zielgruppe fallen damit unterschiedliche Stakeholder in der mauritischen Lebensmittelkette – kleine Agro-Entrepreneur:innen ebenso wie Manager:innen der größten mauritischen Agrarindustrieunternehmen. Das führt natürlich dazu, dass sehr unterschiedliche Anforderungen und Bedürfnisse innerhalb eines einzigen Studiengangs berücksichtigt werden müssen, erklärt Axel Hund. An mancher Stelle gehe es erst einmal darum, Office-Anwendungen in den Prozess einzubinden, etwa, um Bestände effizient zu managen; größere Firmen haben hingegen vielleicht schon KI-Anwendungen im Kopf. „Das war die große Herausforderung in der Konzeption dieses Studiengangs: Einerseits müssen wir die Leute am richtigen Punkt abholen, andererseits müssen wir sie auch so tief in die Materie einführen, dass wir einen langfristigen Zugewinn für alle Stakeholdergruppen ermöglichen“.

Block­chain

bezeichnet eine dezentrale, cloud-basierte Datenbank, deren in Blöcken zusammengefasste Einträge manipulationssicher übermittelt werden können. Die Blockchain-Technologie ermöglicht einen einfacheren, sichereren und schnelleren Informationsaustausch und kann so u.a. für mehr Transparenz innerhalb einer Lieferkette sorgen.

Studierende an der University of Mauritius (UoM)

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Übergeordnetes Ziel: strukturelle Veränderungen für mehr Nachhaltigkeit

Der langfristige Erfolg ist in beiden Projektteilen von zentraler Bedeutung: „Der neue Studiengang soll auch in fünf oder zehn Jahren die relevanten Bedarfe adressieren und seine Absolvent:innen zu Lösungen befähigen, die die Lebensmittelversorgung auf Mauritius nachhaltig verbessern“, erklärt Prof. Dr. Heiko Gewald. In den nächsten Monaten wird zudem der BMBF-geförderte Projektteil weiter vorangetrieben, der auf die lokalen Gegebenheiten in Mauritius zugeschnittene innovative Technologien erforscht. Wer mehr darüber wissen möchte, welche Rolle KI und Blockchain dabei spielen, sollte also dranbleiben: Der HNU-Wissenschaftsblog wird INFINITY weiterhin begleiten und an dieser Stelle wieder berichten.  

Axel Hund

Axel Hund

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Forschungsgebiet "Einsatz innovativer Technologien in Schwellenländern". Vor seinem Promotionsprojekt absolvierte er einen Master in Internationaler Betriebswirtschaftslehre.

Wenn ich nicht gerade forsche / arbeite, dann…
... verbringe ich am liebsten Zeit mit Freunden und Familie, koche gerne oder treibe Sport. Letzteres vorzugsweise draußen in der Natur.

Meine aktuelle Lektüre:
Enlightenment Now: The Case for Reason, Science, Humanism, and Progress von Steven Pinker

Mein Fachgebiet in drei Worten:
Digital Innovation Management

Meine nächste Publikation / mein nächstes Forschungsprojekt wird …
... untersuchen, wie innovative digitale Technologien eingesetzt werden können, um verschiedene Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, z.B. die Ernährungssicherung.

Wissenschaftlich arbeiten / promovieren ist …
... je nach Fachrichtung sehr unterschiedlich. In der Wirtschaftsinformatik ist es die Möglichkeit, sich tiefgehend mit relevanten technologiebezogenen Fragestellungen auseinanderzusetzen, um neue Problemlösungen zu entwickeln.