Gu­te wis­sen­schaft­li­che Pra­xis

Satzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens der Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu-Ulm

vom 18.04.2023
 

Aufgrund von Art. 9 S. 1 in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 S.2 Bayerisches Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG) vom 5. August 2022 (GVBl. S. 414, BayRS 2210-1-3-WK), das durch § 3 des Gesetzes vom 23. Dezember 2022 (GVBl. S. 709) geändert worden ist, erlässt die Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu-Ulm (HNU) folgende Satzung:
 

Präambel
Wissenschaftliches Arbeiten beruht auf Grundprinzipien des methodischen, systema­tischen und überprüfbaren Vorgehens, die in allen Disziplinen und international und interkulturell gleich sind. Allen voran steht die Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und anderen. Die Qualitätssicherung und Ausformulierung der Sachgesetzlichkeit ist Auf­gabe der Hochschulen.

Diese Richtlinie basiert auf:

  • dem Kodex „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in der Fassung vom August 2019,
  • der Mustersatzung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und zum Umgang mit Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens der 33. Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz vom 10. Mai 2022

Sie ist für alle Personen, die im Bereich der Hochschule forschend oder forschungsunterstützend tätig sind, rechtlich verbindlich.
 

Abschnitt I: Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis
 

§ 1     Reichweite dieser Satzung

  1. Die einzuhaltenden Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis nach dieser Satzung werden den an der HNU Tätigen auf der Internetpräsenz der Hochschule bekanntgegeben. Auf das Inkrafttreten dieser Satzung werden zusätzlich alle arbeitsrechtlich angestellten oder verbeamteten wissenschaftlich Tätigen durch E-Mail aufmerksam gemacht.

(2)    Alle an der HNU wissenschaftlich Tätigen sind verpflichtet und dafür verantwortlich, in ihrem Verhalten die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis einzuhalten.

(3)    Arbeits- und dienstrechtliche Rechte und Pflichten werden durch diese Satzung nicht berührt.
 

§ 2     Einzelne Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis

Zu den Prinzipien guter wissenschaftlicher Praxis gehört es insbesondere,
 

1. lege artis zu arbeiten,

2. strikte Ehrlichkeit im Hinblick auf die eigenen und die Beiträge Dritter zu wahren,

3. alle Ergebnisse konsequent selbst anzuzweifeln und

4. einen kritischen Diskurs in der wissenschaftlichen Gemeinschaft zuzulassen und zu fördern.
 

§ 3    Berufsethos der wissenschaftlich Tätigen

(1)   Die Vermittlung der Grundlagen guten wissenschaftlichen Arbeitens beginnt zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt in der wissenschaftlichen Ausbildung (einschließlich Lehre) und Laufbahn.

(2)   Wissenschaftlich Tätige stehen für die grundlegenden Werte wissenschaftlichen Arbeitens ein.

(3)   Unter Einbeziehung aller Karriereebenen durchlaufen die wissenschaftlich Tätigen einen stetigen Prozess des Lernens und der Weiterbildung im Hinblick auf die gute wissenschaftliche Praxis. Sie tauschen sich dazu aus und unterstützen einander.
 

§ 4     Organisationsverantwortung der Hochschulleitung

(1)   Der Hochschulleitung kommen die Zuständigkeit und die Organisationsverantwortung für die Einhaltung der guten wissenschaftlichen Praxis an der Hochschule zu.

(2)   Die Hochschulleitung schafft die Rahmenbedingungen für regelkonformes wissenschaftliches Arbeiten an der Hochschule, indem sie eine insoweit zweckmäßige institutionelle Organisationsstruktur etabliert. Auf diese Weise schafft die Hochschulleitung die Voraussetzungen dafür, dass wissenschaftlich Tätige rechtliche und ethische Standards einhalten können.

(3)   An der Hochschule sind klare Verfahren und Grundsätze für die Personalauswahl und -entwicklung schriftlich festgelegt, wobei Chancengleichheit und Diversität/Vielfältigkeit besondere Bedeutung zukommt.

(4)   Für die Förderung von Forscherinnen und Forschern in frühen Karrierephasen sind Betreuungsstrukturen und -konzepte etabliert.

 

§ 5     Verantwortung der Leiterinnen und Leiter von Arbeitseinheiten

(1)   Die Leitung einer wissenschaftlichen Arbeitseinheit ist für die gesamte von ihr geleitete Einheit verantwortlich.

(2)   Die Verantwortung der Leitung einer wissenschaftlichen Arbeitseinheit umfasst insbesondere die Verpflichtung zur individuellen, in das Gesamtkonzept der Hochschule eingebetteten Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie zur Förderung der Karrieren von wissenschaftlichem und wissenschaftsakzessorischem Personal sowie für die Vermittlung der Grundsätze wissenschaftlichen Redlichkeit. Es wird auf die „Empfehlung zur Personalentwicklung für wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu-Ulm“ verwiesen.

(3)   Die Zusammenarbeit in den wissenschaftlichen Arbeitseinheiten ist so beschaffen, dass die Einheit als Ganze ihre Aufgaben erfüllen kann, dass die dafür nötige Kooperation und Koordination erfolgen und allen Mitgliedern ihre Rollen, Rechte und Pflichten bewusst sind.

(4)   Machtmissbrauch und dem Ausnutzen von Abhängigkeitsverhältnissen wird durch geeignete organisatorische Maßnahmen sowohl auf der Ebene der einzelnen Arbeitseinheiten als auch auf der Ebene der Hochschulleitung entgegengewirkt.

(5)   Wissenschaftlich Tätige genießen ein der Karrierestufe angemessenes Verhältnis von Unterstützung und Eigenverantwortung.

 

§ 6     Bewertung wissenschaftlicher Leistung

Die Bewertung der Leistung von wissenschaftlich Tätigen folgt einem mehrdimensionalen Ansatz. Einen bedeutenden Bestandteil der Bewertung stellt die wissenschaftliche Leistung dar, die in erster Linie nach qualitativen Maßstäben zu bewerten ist. Quantitative Indikatoren können differenziert und reflektiert in die Gesamtbewertung einfließen. Neben der wissenschaftlichen Leistung können weitere Aspekte Berücksichtigung finden.
 

§ 7     Phasenübergreifende Qualitätssicherung

(1)   Wissenschaftlich Tätige führen jeden Teilschritt des Forschungsprozesses de lege artis aus. Eine kontinuierliche und phasenübergreifende Qualitätssicherung findet statt.

(2)   Die Herkunft von im Forschungsprozess verwendeten Daten, Organismen, Materialien und Software wird unter Zitation der Originalquellen kenntlich gemacht und es wird belegt, welche Maßgaben für die Nachnutzung gelten. Wenn öffentlich zugängliche Software verwendet wird, muss diese persistent und zitierbar unter Anführung des Quellcodes dokumentiert werden, soweit dies möglich und zumutbar ist.

(3)   Art und Umfang von im Forschungsprozess entstehenden Forschungsdaten werden beschrieben.

(4)   Essenzieller Bestandteil der Qualitätssicherung ist, dass es anderen wissenschaftlich Tätigen ermöglicht wird, Ergebnisse bzw. Erkenntnisse zu replizieren.

(5)   Wenn wissenschaftliche Erkenntnisse öffentlich zugänglich gemacht werden (auch über andere Wege als Publikationen), werden die angewandten Mechanismen der Qualitätssicherung stets dargelegt. Wenn im Nachhinein Unstimmigkeiten oder Fehler zu solchen Erkenntnissen auffallen oder auf solche hingewiesen wird, werden diese berichtigt.
 

§ 8     Beteiligte Akteure, Verantwortlichkeiten, Rollen

(1)   Die Rollen und Verantwortlichkeiten der an einem Forschungsvorhaben beteiligten wissenschaftlich Tätigen müssen in geeigneter Weise festgelegt werden und zu jedem Zeitpunkt klar sein.

(2)   Sofern es erforderlich wird, erfolgt eine Anpassung der Rollen und Verantwortlichkeiten.

 

§ 9     Forschungsdesign

(1)   Wissenschaftlich Tätige berücksichtigen bei der Planung eines Vorhabens den aktuellen Forschungsstand umfassend und erkennen ihn an. Dies setzt in der Regel sorgfältige Recherche nach bereits öffentlich zugänglichen Forschungsleistungen voraus.

(2)   Die Hochschulleitung stellt die für diese Recherche erforderlichen Ressourcen sicher.

(3)   Wissenschaftlich Tätige wenden Methoden zur Vermeidung von (auch unbewussten) Verzerrungen bei der Interpretation von Befunden an, soweit dies möglich und zumutbar ist.

 

§ 10   Rechtliche und ethische Rahmenbedingungen der Forschung

(1)   Wissenschaftlich Tätige gehen mit der ihnen verfassungsrechtlich gewährten Forschungsfreiheit verantwortungsvoll um.

(2)   Die HNU ist Mitglied der Gemeinsamen Ethikkommission der Hochschulen Bayerns (GEHBa).

(3)   Wissenschaftlich Tätige beachten bei ihrem Verhalten ihre Rechte und Pflichten, insbesondere solche, die aus gesetzlichen Vorgaben und aus Verträgen mit Dritten resultieren.

(4)   Wissenschaftlich Tätige holen Genehmigungen und Ethikvoten ein, sofern dies erforderlich ist, und legen sie den zuständigen Stellen vor.

(5)   Wissenschaftlich Tätige machen sich die Gefahr des Missbrauchs von Forschungsergebnissen kontinuierlich bewusst, insbesondere bei sicherheitsrelevanter Forschung. Forschungsfolgen werden dabei gründlich abgeschätzt, ethische Implikationen der Forschung beurteilt.
 

§ 11   Nutzungsrechte

(1)   Wissenschaftlich Tätige treffen zum frühestmöglichen Zeitpunkt dokumentierte Vereinbarungen über die Nutzungsrechte an aus dem Forschungsvorhaben hervorgehenden Daten und Ergebnissen.

(2)   Die Nutzung von Daten und Ergebnissen steht insbesondere denjenigen wissenschaftlich Tätigen zu, die die Daten erhoben haben.       

(3)   Die Nutzungsberechtigten treffen Regelungen zu der Frage, ob und wie Dritte Zugang zu den Forschungsdaten erhalten.

 

§ 12   Methoden und Standards

(1)   Bei der Forschung werden wissenschaftlich fundierte und nachvollziehbare Methoden angewandt.

(2)   Bei der Entwicklung und Anwendung neuer Methoden legen wissenschaftlich Tätige besonderen Wert auf die Qualitätssicherung und auf die Etablierung von Standards.

 

§ 13   Dokumentation

(1)   Wissenschaftlich Tätige dokumentieren alle für das Zustandekommen eines Forschungsergebnisses relevanten Informationen so nachvollziehbar, wie es im betroffenen Fachgebiet erforderlich und angemessen ist, um das Ergebnis überprüfen und bewerten zu können und eine Replikation zu ermöglichen. Sofern für die Überprüfung und Bewertung konkrete fachliche Empfehlungen existieren, nehmen die wissenschaftlich Tätigen die Dokumentation entsprechend der jeweiligen Vorgaben vor. Bei der Entwicklung von Forschungssoftware wird deren Quellcode dokumentiert, soweit dies möglich und zumutbar ist.

(2)   Auch Einzelergebnisse, die die eigene Hypothese nicht stützen, werden grundsätzlich dokumentiert. Eine Selektion von Ergebnissen ist unzulässig.

(3)   Wird die Dokumentation den Anforderungen gem. Abs. 1 und 2 nicht gerecht, werden die Einschränkungen und Gründe dafür nachvollziehbar dargelegt.

(4)   Primärdaten als Grundlagen für Veröffentlichungen müssen auf haltbaren und gesicherten Datenträgern in der Institution, wo sie entstanden sind, oder an der HNU zehn Jahre lang ab dem Tag der Herstellung des öffentlichen Zugangs aufbewahrt werden. Die HNU stellt hierzu geeignete Verwahrgelasse zur Verfügung. Das Rechenzentrum der HNU stellt für die Speicherung von digitalen Daten und deren Sicherung entsprechenden und geeigneten Speicherplatz bereit. Die Verantwortung für die korrekte und vollständige Ablage der Daten in der Infrastruktur trägt der/die Autor/Autorin der Veröffentlichung.

(5)   Dokumentationen und Forschungsergebnisse dürfen nicht manipuliert werden. Sie sind bestmöglich gegen Manipulation zu schützen.

 

§ 14   Herstellung von öffentlichem Zugang zu Forschungsergebnissen

(1)   Grundsätzlich bringen wissenschaftlich Tätige all ihre Ergebnisse in den wissenschaftlichen Diskurs ein.

(2)   Im Einzelfall kann es Gründe geben, Ergebnisse nicht öffentlich zugänglich zu machen. Die Entscheidung der Zugänglichmachung darf grundsätzlich nicht von Dritten abhängen; vielmehr entscheiden wissenschaftlich Tätige grundsätzlich in eigener Verantwortung und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des jeweiligen Fachgebiets, ob, wie und wo sie ihre Ergebnisse öffentlich zugänglich machen. Ausnahmen sind insbesondere dort statthaft, wo Rechte Dritter betroffen sind, Patentanmeldungen in Aussicht stehen, es sich um Auftragsforschung oder um sicherheitsrelevante Forschung handelt.

(3)   Werden Ergebnisse öffentlich zugänglich gemacht, werden sie vollständig und nachvollziehbar beschrieben. Hierzu gehört es auch, die den Ergebnissen zugrundeliegenden Forschungsdaten, Materialien und Informationen, die angewandten Methoden und eingesetzte Software verfügbar zu machen, soweit dies möglich und zumutbar ist. Dies geschieht nach den sog. FAIR-Prinzipien: Findable, Accessible, Interoperable, Re-Usable. Ausnahmen sind im Kontext von Patentanmeldungen statthaft.

(4)   Selbst programmierte Software wird dabei unter Angabe ihres Quellcodes zugänglich gemacht, soweit dies möglich und zumutbar ist. Gegebenenfalls erfolgt eine Lizensierung. Arbeitsabläufe werden umfänglich dargelegt.

(5)   Eigene und fremde Vorarbeiten sind vollständig und korrekt nachzuweisen, es sei denn, darauf kann disziplinspezifisch im Fall von eigenen, bereits öffentlich zugänglichen Ergebnissen ausnahmsweise verzichtet werden. Zugleich wird die Wiederholung der Inhalte eigener Publikationen auf das für das Verständnis notwendige Maß beschränkt.
 

§ 15   Autorschaft

(1)   Autorin oder Autor ist, wer einen genuinen, nachvollziehbaren Beitrag zu dem Inhalt einer wissenschaftlichen Text-, Daten- oder Softwarepublikation geleistet hat. Ob ein genuiner und nachvollziehbarer Beitrag vorliegt, hängt von den fachspezifischen Grundsätzen wissenschaftlichen Arbeitens ab und ist im Einzelfall zu beurteilen.

(2)   Reicht ein Beitrag nicht aus, um eine Autorschaft zu begründen, so kann die Unterstützung in Fußnoten, im Vorwort oder in Acknowledgements angemessen gewürdigt werden. Eine Ehrenautorschaft, bei der gerade kein hinreichender Beitrag geleistet wurde, ist ebenso unzulässig wie die Herleitung einer Autorschaft allein aufgrund einer Leitungs- oder Vorgesetztenfunktion.

(3)   Alle Autorinnen und Autoren müssen der finalen Fassung des zu publizierenden Werks zustimmen; sie tragen für die Publikation die gemeinsame Verantwortung, es sei denn, es wird ausdrücklich anders ausgewiesen. Ohne hinreichenden Grund darf die Zustimmung zu einer Publikation nicht verweigert werden. Die Verweigerung muss vielmehr mit nachprüfbarer Kritik an Daten, Methoden oder Ergebnissen begründet werden.

(4)   Wissenschaftlich Tätige verständigen sich rechtzeitig – in der Regel spätestens bei Formulierung des Manuskripts – darüber, wer Autorin oder Autor der Forschungsergebnisse werden soll. Die Verständigung hat anhand nachvollziehbarer Kriterien und unter Berücksichtigung der Konventionen jedes Fachgebiets zu erfolgen.
 

§ 16   Publikationsorgane

(1)   Die wissenschaftliche Qualität eines Beitrags hängt nicht von dem Publikationsorgan ab, in dem er öffentlich zugänglich gemacht wird. Neben Publikationen in Büchern und Fachzeitschriften kommen insbesondere auch Fach-, Daten- und Softwarerepositorien ebenso wie Blogs in Betracht.

(2)   Autorinnen und Autoren wählen das Publikationsorgan unter Berücksichtigung seiner Qualität und Sichtbarkeit im jeweiligen Diskursfeld sorgfältig aus.

(3)   Wer eine Herausgeberschaft übernimmt, prüft sorgfältig, für welche Publikationsorgane dies geschieht.

 

§ 17   Vertraulichkeit und Neutralität bei Begutachtungen und Beratungen

(1)   Redliches Verhalten ist die Grundlage der Legitimität eines Urteilsbildungsprozesses.

(2)   Wissenschaftlich Tätige, die insbesondere Manuskripte, Förderanträge oder die Ausgewiesenheit von Personen beurteilen, sind diesbezüglich zu strikter Vertraulichkeit verpflichtet. Sie legen alle Tatsachen, die die Besorgnis einer Befangenheit begründen können, unverzüglich gegenüber der dafür zuständigen Stelle offen[1].

(3)   Die Vertraulichkeit schließt ein, dass Inhalte, zu denen im Rahmen der Funktion Zugang erlangt wird, nicht an Dritte weitergegeben werden und nicht der eigenen Nutzung zugeführt werden dürfen.

(4)   Abs. 1 und 2 gelten entsprechend für Mitglieder wissenschaftlicher Beratungs- und Entscheidungsgremien.

 

Abschnitt II: Ombudswesen

§ 18   Ombudspersonen

(1)   An der HNU existieren zwei Ombudspersonen und eine gleich große Zahl von stellvertretenden Ombudspersonen. Die Stellvertretungen werden für den Fall vorgesehen, dass hinsichtlich einer an sich zuständigen Ombudsperson die Besorgnis einer Befangenheit besteht oder die Ombudsperson an der Wahrnehmung ihrer Funktion gehindert ist. Die Frage, ob die Besorgnis der Befangenheit besteht, beurteilt sich nach Maßgabe des § 21 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG). Im Zweifel entscheidet die Untersuchungskommission nach Abschnitt III.

 (2) Zu Ombudspersonen bzw. Stellvertretungen können integre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestellt werden. Bei der Bestellung sollten auch die an der HNU vertretenen Fächerkulturen berücksichtigt werden. Die Ombudspersonen und ihre Stellvertretungen dürfen während ihrer Amtszeit weder Mitglied der Untersuchungskommission, der Hochschulleitung oder des Senats noch Dekane/Dekaninnen sein.

(3)   Die Bestellung erfolgt durch die Hochschulleitung nach Wahl durch den Senat der Hochschule.

(5)   Die Amtszeit einer Ombudsperson oder stellvertretenden Ombudsperson dauert fünf Jahre. Eine einmalige Wiederwahl ist zulässig.

(6)   Ombudspersonen und ihre Stellvertretungen erhalten von der Leitung der HNU die erforderliche inhaltliche Unterstützung und Akzeptanz bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben.

 

§ 19   Ombudstätigkeit

(1)   Die Ombudspersonen und ihre Stellvertretungen nehmen die Ombudstätigkeit nach § 18 unabhängig wahr, insbesondere unabhängig von Weisungen oder informellen einzelfallbezogenen Einflussnahmen durch die Hochschulleitung und andere Hochschulorgane. Die Ombudstätigkeit erfolgt vertraulich, d.h. unter Wahrung der Verschwiegenheit.

(2)   Die Ombudspersonen erstellen jährlich einen hochschulöffentlichen Bericht und berichten dem Senat.

(2)   Alle Mitglieder und Angehörigen der HNU können sich in Fragen der guten wissenschaftlichen Praxis, aber auch zu vermutetem wissenschaftlichem Fehlverhalten, an die Ombudspersonen wenden. Alternativ haben Mitglieder und Angehörige der HNU die Möglichkeit, sich an das überregional tätige Ombudsgremium „Ombudsgremium für die wissenschaftliche Integrität in Deutschland“ zu wenden.

(3)   Die Hochschulleitung trägt dafür Sorge, dass die lokalen Ombudspersonen und ihre Stellvertretungen an der HNU bekannt sind. Identität und Kontaktdaten der jeweils amtierenden Personen werden öffentlich bekannt gemacht.

(4)   Ombudspersonen beraten als neutrale und qualifizierte Ansprechpersonen in Fragen der guten wissenschaftlichen Praxis und in Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Sie tragen, soweit dies möglich ist, zur lösungsorientierten Konfliktvermittlung bei.

(5)   Ombudspersonen bzw. deren Stellvertretungen nehmen Anfragen vertraulich entgegen und leiten Verdachtsfälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens im Bedarfsfall an die verantwortliche Stelle an der HNU nach Abschnitt III weiter.

 

Abschnitt III: Verfahren im Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten

§ 20   Allgemeine Prinzipien für den Umgang mit Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens

(1)   Alle Stellen an der HNU, die einen Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens im Rahmen ihrer Zuständigkeit überprüfen, setzen sich in geeigneter Weise für den Schutz sowohl der Hinweisgebenden als auch der/des von den Vorwürfen Betroffenen (Beschuldigten) ein. Den zuständigen Stellen ist bewusst, dass die Durchführung eines Verfahrens und die abschließende, mögliche Verhängung von Sanktionen erhebliche Eingriffe in die Rechtsgüter der Beschuldigten darstellen können.

(2)   Die Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens muss zu jedem Zeitpunkt nach rechtsstaatlichen Grundsätzen, fair und unter Geltung der Unschuldsvermutung erfolgen. Die Untersuchung erfolgt zudem vertraulich. Ermittlungen werden ohne Ansehen der Person geführt, Entscheidungen ohne Ansehen der Person getroffen.

(3)   Die Anzeige durch hinweisgebende Personen muss in gutem Glauben erfolgen. Hinweisgebende Personen müssen über objektive Anhaltspunkte dafür verfügen, dass möglicherweise gegen Standards guter wissenschaftlicher Praxis verstoßen worden ist. Kann die hinweisgebende Person die dem Verdacht zugrundeliegenden Tatsachen nicht selbst prüfen oder bestehen in Hinsicht auf einen beobachteten Vorgang Unsicherheiten bei der Interpretation der Regelungen zur guten wissenschaftlichen Praxis gemäß Abschnitt I, soll die/der Hinweisgebende sich zur Klärung des Verdachts an die Personen gemäß § 19 Absatz 1 und 2 wenden.

(4)   Wegen der Hinweisgabe sollen weder der hinweisgebenden noch der beschuldigten/betroffenen Person Nachteile für das eigene wissenschaftliche oder berufliche Fortkommen erwachsen. Für die beschuldigte Person gilt dies, bis ein Fehlverhalten erwiesen und festgestellt ist. Bei Personen in frühen Karrierephasen soll die Anzeige möglichst nicht zu Verzögerungen während ihrer Qualifizierung führen. Die Erstellung von Abschlussarbeiten und Promotionen soll keine Benachteiligung erfahren. Gleiches gilt für Arbeitsbedingungen und mögliche Vertragsverlängerungen.

(5)   Die hinweisgebende Person ist auch dann zu schützen, wenn ein Fehlverhalten im Verfahren nicht erwiesen wird. Anderes gilt nur, wenn der Vorwurf wider besseres Wissen angezeigt worden ist.

(6)   Alle mit dem Verfahren befassten Stellen setzen sich für eine möglichst zeitnahe Durchführung des gesamten Verfahrens ein. Sie unternehmen die erforderlichen Schritte, um jeden Verfahrensabschnitt innerhalb eines angemessenen Zeitraums abzuschließen.

(7)   Eine Verdachtsmeldung, bei der die hinweisgebende Person ihre Identität nicht offenlegt (anonyme Anzeige), wird nicht überprüft.

(8)  Die zuständige Stelle behandelt die Identität der hinweisgebenden Person vertraulich und gibt sie Dritten grundsätzlich nicht ohne das Einverständnis der hinweisgebenden Person preis. Das Einverständnis soll in Textform erteilt werden. Eine Herausgabe auch ohne Einverständnis kann erfolgen, wenn eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung besteht. Eine Herausgabe kann ausnahmsweise auch dann erfolgen, wenn die beschuldigte Person sich andernfalls nicht sachgerecht verteidigen kann, weil es hierfür auf die Identität der hinweisgebenden Person ankommt. Bevor die Identität der hinweisgebenden Person offengelegt wird, wird sie von der beabsichtigten Herausgabe in Kenntnis gesetzt. Sie kann sodann entscheiden, ob sie die Verdachtsanzeige zurücknimmt. Im Fall einer Rücknahme erfolgt die Offenlegung nicht, es sei denn, es besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Offenlegung. Das Ermittlungsverfahren kann gleichwohl fortgeführt werden, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass dies im Interesse der wissenschaftlichen Integrität in Deutschland oder im berechtigten Interesse der HNU geboten ist.

(9)   Die Vertraulichkeit des Verfahrens erfährt Einschränkungen, wenn sich die hinweisgebende Person mit ihrem Verdacht an die Öffentlichkeit wendet. Die für die Untersuchung zuständige Stelle entscheidet im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen, wie mit der Verletzung der Vertraulichkeit durch die hinweisgebende Person umzugehen ist.

 

§ 21   Tatbestände wissenschaftlichen Fehlverhaltens

(1)   Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt vor, wenn eine an der HNU wissenschaftlich tätige Person in einem wissenschaftserheblichen Zusammenhang vorsätzlich oder grob fahrlässig Falschangaben macht, sich fremde wissenschaftliche Leistungen unberechtigt zu eigen macht oder die Forschungstätigkeit anderer beeinträchtigt. Unberührt bleiben die besonderen Tatbestände gemäß Absatz 5 bis 8.

(2)   Falschangaben sind

a)    das Erfinden von wissenschaftserheblichen Daten oder Forschungsergebnissen,

b)    das Verfälschen von wissenschaftserheblichen Daten oder Forschungsergebnissen, insbesondere durch Unterdrücken oder Beseitigen von im Forschungsprozess gewonnenen Daten oder Ergebnissen, ohne dies offen zu legen, oder durch Verfälschung einer Darstellung oder Abbildung,

c)    die inkongruente Darstellung von Bild und dazugehöriger Aussage,

d)    unrichtige wissenschaftsbezogene Angaben in einem Förderantrag oder im Rahmen der Berichtspflicht

e)    die Inanspruchnahme der Autorschaft oder Mitautorschaft einer anderen Person ohne deren Einverständnis.

(3)   Ein unzulässiges Zu-eigen-machen fremder wissenschaftlicher Leistungen liegt in folgenden Fällen vor:

a)    Ungekennzeichnete Übernahme von Inhalten Dritter ohne die gebotene Quellenangabe („Plagiat“),

b)    unbefugte Verwendung von Forschungsansätzen, Forschungsergebnissen und wissenschaftlichen Ideen („Ideendiebstahl“),

c)    Unbefugte Weitergabe von wissenschaftlichen Daten, Theorien und Erkenntnissen an Dritte,

d)    Anmaßung oder unbegründete Annahme einer Autorschaft oder Mitautorschaft an einer wissenschaftlichen Publikation, insbesondere, wenn kein genuiner, nachvollziehbarer Beitrag zum wissenschaftlichen Inhalt der Publikation geleistet wurde,

e)    Verfälschung des wissenschaftlichen Inhalts,

f)     Unbefugte Veröffentlichung und unbefugtes Zugänglichmachen gegenüber Dritten, solange das wissenschaftliche Werk, die Erkenntnis, die Hypothese, die Lehre oder der Forschungsansatz noch nicht veröffentlicht ist.

(4)   Eine Beeinträchtigung der Forschungstätigkeit anderer liegt insbesondere in folgenden Fällen vor:

a)    Sabotage von Forschungstätigkeit (einschließlich des Beschädigens, Zerstörens oder Manipulierens von Versuchsanordnungen, Geräten, Unterlagen, Hardware, Software, Chemikalien oder sonstiger Sachen, die andere zu Forschungszwecken benötigen),

b)    Verfälschung oder unbefugte Beseitigung von Forschungsdaten oder Forschungsdokumenten,

c)    Verfälschung oder unbefugte Beseitigung der Dokumentation von Forschungsdaten.

(5)   Wissenschaftliches Fehlverhalten von an der HNU wissenschaftlich Tätigen ergibt sich – bei Vorliegen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit – auch aus

a)    der Mitautorschaft an einer Veröffentlichung, die Falschangaben oder unzulässig zu eigen gemachte fremde wissenschaftliche Leistungen enthält,

b)    der Vernachlässigung von Aufsichtspflichten, wenn eine andere Person objektiv den Tatbestand wissenschaftlichen Fehlverhaltens im Sinne von Absatz 1 bis 4 erfüllt hat und dies durch die erforderliche und zumutbare Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre.

(6)   Wissenschaftliches Fehlverhalten ergibt sich ferner aus der vorsätzlichen Beteiligung (im Sinne einer Anstiftung oder Beihilfe) am vorsätzlichen, nach dieser Satzung tatbestandsmäßigen Fehlverhalten anderer.

(7)   Wissenschaftliches Fehlverhalten von gutachtenden Personen oder Gremienmitgliedern der HNU liegt vor, wenn diese vorsätzlich oder grob fahrlässig

a)    unbefugt wissenschaftliche Daten, Theorien oder Erkenntnisse, von denen sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gutachtende oder Gremienmitglied Kenntnis erlangt haben, unbefugt für eigene wissenschaftliche Zwecke verwerten,

b)    im Rahmen ihrer Tätigkeit als gutachtenden Personen oder Gremienmitglied unter Verletzung der Vertraulichkeit des Verfahrens Daten, Theorien oder Erkenntnisse unbefugt an Dritte weitergeben,

c)    im Rahmen ihrer Tätigkeit als gutachtende Person oder Gremienmitglied Tatsachen oder Umstände, die die Besorgnis einer Befangenheit begründen können, nicht gegenüber der zuständigen Stelle offenlegen.

(8)   Wissenschaftliches Fehlverhalten liegt auch vor, wenn eine gutachtende Person oder ein Gremienmitglied der HNU im Rahmen ihrer/seiner Tätigkeit in der Absicht, sich oder einer anderen Person einen Vorteil zu verschaffen, wider besseres Wissen Tatsachen nicht offenlegt, aus denen sich ein wissenschaftliches Fehlverhalten der anderen Person im Sinne von Absatz 1 bis 5 ergibt.

(9)   Der leichtfertige Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens, erst recht die Erhebung bewusst unrichtiger Vorwürfe, stellt ebenfalls eine Form wissenschaft­lichen Fehlverhaltens dar. Vorwürfe dürfen nicht ungeprüft und ohne hinreichende Kontrolle der Fakten erhoben werden.

 

§ 22   Untersuchungskommission
Die HNU unterhält eine ständige Untersuchungskommission zur Durchführung der Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens.

Die Untersuchungskommission besteht aus:

  1. jeweils einem/einer Professor/Professorin aus jeder Fakultät der HNU. Die Professoren/Professorinnen werden von dem jeweiligen Fakultätsrat mit je einer Stellvertretung gewählt.
  2. einem/einer wissenschaftlichen Mitarbeiter/Mitarbeiterin aus dem Kreis der wissenschaftlichen Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen der HNU. Der Senat der HNU wählt diese Person und deren Stellvertretung. Der/die Vertreter/Vertreterin der wissenschaftlichen Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen im Senat schlägt dem Senat hierzu eine Wahlliste vor,
  3.  der/die Justiziar/Justiziarin der HNU bzw. dessen/deren Stellvertretung.

Die stimmberechtigten Mitglieder der Kommission nach Nr. 1 und Nr. 2 werden ebenso wie ihre Stellvertretungen von der Hochschulleitung nach Wahl durch den Senat/Fakultätsrat bestellt. Die Amtszeit der in Nr. 1 und 2 genannten Personen beträgt fünf Jahre mit der Möglichkeit der Wiederwahl.

Die Mitglieder der Hochschulleitung und die Dekane/Dekaninnen der HNU können nicht zu Kommissionsmitgliedern gewählt werden. Die Untersuchungskommission wählt aus ihrer Mitte einen/eine Vorsitzenden/Vorsitzende sowie eine Stellvertretung. Sie entscheidet mit der Mehrheit ihrer stimmberechtigten Mitglieder.

Als beratende, nicht stimmberechtigte Mitglieder gehören der Kommission an:

  • die Ombudspersonen,
  • ein/eine studentischer/studentische Vertreter/Vertreterin aus dem Senat, sofern studentische Belange (insbesondere studentische Beschuldigte) betroffen sind.

Die Untersuchungskommission kann nach eigenem Ermessen im Rahmen der förmlichen Untersuchung Fachgutachter/Fachgutachterinnen aus dem Gebiet eines zu beurteilenden wissenschaftlichen Sachverhalts sowie Experten/Expertinnen für den Umgang mit solchen Fällen als weitere Mitglieder mit beratender Stimme hinzuziehen. Hierzu können unter anderem Schlichtungsberater/Schlichtungsberaterinnen zählen.

(2)   Im Falle einer Besorgnis der Befangenheit oder der nicht nur kurzfristigen Verhinderung eines Kommissionsmitglieds übernimmt dessen Stellvertretung. Für die Besorgnis der Befangenheit gelten die §§ 22 ff. der Strafprozessordnung entsprechend. Die Besorgnis der Befangenheit kann von allen stimmberechtigten Kommissionsmitgliedern, von Ombudspersonen der Hochschule oder von beschuldigten Personen gerügt werden. Es entscheidet die Kommission unter Ausschluss der Person, gegen die sich der Befangenheitsantrag richtet. Unaufschiebbare Verfahrenshandlungen dürfen weiterhin vorgenommen werden.

(3)   Alle stimmberechtigten Mitglieder der Kommission haben gleiches Stimmrecht. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst; bei Stimmengleichheit entscheidet die vorsitzende Person. Die Kommission ist nur dann beschlussfähig, wenn mindestens 4 Personen anwesend sind und gültig abstimmen können.

(4)   Die Mitglieder der Kommission und ihre Stellvertretungen nehmen die Tätigkeit unabhängig wahr, insbesondere unabhängig von Weisungen oder informellen einzelfallbezogenen Einflussnahmen durch die Hochschulleitung und andere Hochschulorgane. Die Tätigkeit erfolgt vertraulich, d.h. unter Wahrung der Verschwiegenheit.

(5)   Die Untersuchungskommission arbeitet und tagt vertraulich und nichtöffentlich.

(6)   Die aktuelle Besetzung der Untersuchungskommission kann bei folgender Stelle in Erfahrung gebracht werden: Stabstelle Recht
 

§ 23   Einleitung einer Untersuchung

(1)   Hinweisgebende Personen sollen sich mit einer Verdachtsmeldung an eine Ombudsperson oder eine Stellvertretung gemäß § 19 wenden. Eine Verdachtsmeldung muss in Textform und in gutem Glauben erfolgen. Wenden sich hinweisgebende Personen mit ihrer Verdachtsmeldung unmittelbar an ein Mitglied der Untersuchungskommission, leitet das Mitglied die Verdachtsmeldung zuständigkeitshalber an eine zuständige Ombudsperson weiter.

(2)   Für die Besorgnis der Befangenheit von Ombudspersonen in ihrer Rolle im Verfahren nach Abschnitt III gelten abweichend von § 18 Absatz 1 dieser Satzung die §§ 22 ff. der Strafprozessordnung entsprechend. Es entscheidet die Untersuchungskommission gemäß § 24 dieser Satzung.

(3)   Die zuständige Ombudsperson oder Stellvertretung prüft vertraulich, ob hinlänglich konkretisierte Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Person in verfolgbarer Weise einen Tatbestand gemäß § 21 verwirklicht hat. Die Ombudsperson kann in diesem Zusammenhang Vorermittlungen führen; § 23 Absatz 2 gilt hierfür entsprechend.

(4)   Gelangt die Ombudsperson zu dem Ergebnis, dass hinlänglich konkretisierte Verdachtsmomente gemäß Absatz 3 bestehen, leitet sie eine Vorprüfung ein.

§ 24   Vorprüfung

Zunächst erfolgt eine Vorprüfung durch die Ombudspersonen.

Die Ombudspersonen besprechen die Anschuldigungen wissenschaftlichen Fehlverhaltens zunächst untereinander. Kann ein Anfangsverdacht nicht zweifelfrei ausgeräumt werden, so werden Hinweisgeber/Hinweisgeberin und Beschuldigter/Beschuldigte unter Wahrung der Vertraulichkeit und getrennt voneinander zum Sachverhalt gehört.

Die Ombudspersonen prüfen unabhängig voneinander die Vorwürfe unter Plausibilitätsgesichtspunkten auf Konkretheit und Bedeutung, auf mögliche Motive und im Hinblick auf Möglichkeiten der Ausräumung der Vorwürfe.

Die Ombudspersonen bemühen sich zu jeder Zeit, zwischen den Verfahrens­beteiligten zu vermitteln. Führen die Vermittlungsbemühungen zu einer einvernehmlichen Beilegung der Vorwürfe, wird das Verfahren eingestellt und durch die Ombudspersonen archiviert.

Sollte mindestens eine Ombudsperson das Vorliegen eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens für hinreichend wahrscheinlich halten, wird die Untersuchungs­kommission beauftragt, den Sachverhalt einer abschließenden Klärung zuzuführen, §§ 24 Abs. 2, 25.

Sollten die Ombudspersonen zu der Auffassung gelangen, dass kein wissenschaft­liches Fehlverhalten vorliegt, so ist das Verfahren zu beenden und dem/der Hinweis­gebenden ist die Entscheidung schriftlich und nachvollziehbar zu begründen. Wurde der/die Beschuldigte bereits hinzugezogen, so ist auch er/sie über die Entscheidung zu informieren.

Sollte der/die Hinweisgebende nicht mit der Entscheidung der Ombudspersonen einverstanden sein, so hat er/sie das Recht innerhalb einer Frist von vierzehn Tagen eine erneute Anhörung zu beantragen.

 

  1. Vorprüfung durch die Untersuchungskommission

Dem/der vom Verdacht des Fehlverhaltens Beschuldigten wird unverzüglich von der Untersuchungskommission unter Nennung der belastenden Tatsachen und Beweismittel Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Frist für die Stellungnahme beträgt vier Wochen. Der Name des/der Hinweisgebenden wird ohne dessen/deren Einverständnis in dieser Phase dem/der Beschuldigten nicht offenbart.

Nach Eingang der Stellungnahme des/der Beschuldigten bzw. nach Verstreichen der Frist trifft die Untersuchungskommission innerhalb von zwei Wochen die Entscheidung darüber, ob das Vorprüfungsverfahren – unter Mitteilung der Gründe an den/die Beschuldigten und den/die Hinweisgebenden – zu beenden ist, weil sich der Verdacht nicht hinreichend bestätigt bzw. ein vermeintliches Fehlverhalten vollständig aufgeklärt hat, oder ob eine Überleitung in das förmliche Untersuchungs­verfahren zu erfolgen hat.

Wenn der/die Hinweisgebende mit der Einstellung des Prüfungsverfahrens nicht einverstanden ist, hat er/sie innerhalb von zwei Wochen das Recht auf Vorsprache in der Untersuchungskommission, die ihre Entscheidung noch einmal prüft.

Eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit ist möglich, wenn für die Untersuchungskommission ein minder schweres wissenschaftliches Fehlverhalten feststeht und der/die Beschuldigte, der/die maßgeblich zur Aufklärung beigetragen hat, gegebenenfalls selbst eine Maßnahme insbesondere ein Erratum, anbietet bzw. Maßnahmen zur Behebung eingetretener Schäden bereits ergriffen wurden. Diese Entscheidung wird dem/der Hinweisgeber/Hinweisgeberin mitgeteilt.

 

§ 25   Gang der förmlichen Untersuchung

  1. Die Eröffnung des förmlichen Untersuchungsverfahrens wird der Hochschulleitung vom Vorsitzenden der Untersuchungskommission mitgeteilt.
  2. Die Untersuchungskommission berät in nichtöffentlicher mündlicher Sitzung. Sie prüft in freier Beweiswürdigung, ob wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt. Dem/der Beschuldigten/Beschuldigten, dem Fehlverhalten vorgeworfen wird, ist in geeigneter Weise Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er/sie ist auf seinen/ihren Wunsch mündlich anzuhören und kann dazu eine Person seines/ihres Vertrauens als Beistand hinzuziehen. Sonstige anzuhörende Personen können ebenso eine Person ihres Vertrauens als Beistand hinzuziehen.
  3. Den Namen des/der Hinweisgebenden offenzulegen kann erforderlich werden, wenn der/die Beschuldigte sich andernfalls nicht sachgerecht verteidigen kann, weil beispielsweise die Glaubwürdigkeit und Motive des/der Hinweisgebenden im Hinblick auf den Vorwurf möglichen Fehlverhaltens relevant sind. Über die Offenlegung des Namens entscheidet die Untersuchungskommission auf Antrag des/der Beschuldigten.
  4. Hält die Untersuchungskommission ein Fehlverhalten für nicht erwiesen, wird das Verfahren eingestellt. Hält die Untersuchungskommission ein Fehlverhalten für erwiesen, legt sie das Ergebnis ihrer Untersuchung der Hochschulleitung mit einem Vorschlag zum weiteren Verfahren, auch in Bezug auf die Wahrung der Rechte anderer, zur Entscheidung und weiteren Veranlassung vor, der zum Beispiel arbeitsrechtlicher, hochschulrechtlicher, disziplinarrechtlicher oder anderer Art sein kann.
  5. Die wesentlichen Gründe, die zur Einstellung des Verfahrens oder zur Weiterleitung an die Hochschulleitung geführt haben, sind dem/der Beschuldigten und dem/der Hinweisgebenden sowie dem/der Präsidenten/Präsidentin unverzüglich schriftlich mitzuteilen.
  6. Ein internes Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung der Untersuchungs­kommission ist nicht gegeben.
  7. Am Ende eines förmlichen Untersuchungsverfahrens identifiziert der/die Vorsitzende der Untersuchungskommission alle diejenigen Personen, die in den Fall involviert sind (waren). Er/sie beauftragt die Ombudspersonen alle diejenigen Personen, insbesondere die Nachwuchswissenschaftler/Nachwuchswissen­schaftlerinnen und Studierenden, die unverschuldet in Vorgänge wissenschaftlichen Fehlverhaltens verwickelt wurden, in Bezug auf eine Absicherung ihrer persönlichen und wissenschaftlichen Integrität, zu beraten. In diesem Zusammenhang ist erneut auf die zu wahrende Verschwiegenheit hinzuweisen.

§ 26   Abschluss des Verfahrens

  1. Die Hochschulleitung entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob gegenüber der beschuldigten Person wissenschaftliches Fehlverhalten festgestellt wird und ob und welche Sanktionen und Maßnahmen ihr gegenüber verhängt werden. Kommt als Maßnahme der Entzug eines akademischen Grades in Betracht, werden die dafür zuständigen Stellen mit einbezogen.
  2. Die Akten der förmlichen Untersuchung werden 30 Jahre aufbewahrt.
  3. Die im Zusammenhang mit einem Fall wissenschaftlichen Fehlverhaltens genannten Personen haben Anspruch darauf, dass die Ombudspersonen ihnen innerhalb der Aufbewahrungsfrist auf Antrag einen Bescheid (zu ihrer Entlastung) ausstellen.
  4. In besonders begründeten Fällen kann die Hochschulleitung auf Antrag des / der Beschuldigten das Ergebnis der Untersuchungskommission veröffentlichen. Das Vorliegen eines begründeten Falls beschließt die Untersuchungskommission.
  5. Personen, die einen Hinweis auf einen Verdacht wissenschaftlichen Fehlverhaltens geben, dürfen daraus keine Nachteile für das eigene wissenschaftliche und berufliche Fortkommen erfahren. Die Ombudspersonen wie auch die Mitglieder der Untersuchungskommission, die einen Verdacht überprüfen, sowie die Hochschulleitung müssen sich für diesen Schutz in geeigneter Weise einsetzen.

§ 27   Mögliche Sanktionen und Maßnahmen

(1)   Erachtet die Hochschulleitung wissenschaftliches Fehlverhalten als erwiesen, kann sie im Rahmen der Verhältnismäßigkeit alternativ oder kumulativ folgende Sanktionen verhängen und/oder Maßnahmen ergreifen:

a) Aufforderung an die beschuldigte Person, inkriminierte Veröffentlichungen zurückzunehmen oder zu korrigieren bzw. die Veröffentlichung inkriminierter Manuskripte zu unterlassen,

b) Rücknahme von Förderentscheidungen bzw. Rücktritt von Förderverträgen, soweit die Entscheidung von der Hochschule getroffen oder der Vertrag von der Hochschule geschlossen worden ist, ggf. einschließlich einer Mittelrückforderung,

c) Ausschluss von einer Tätigkeit als gutachtende Personen oder Gremienmitglieder der Hochschule auf Zeit

d) Gegen Angestellte der Hochschule: arbeitsrechtliche Abmahnung, ordentliche Kündigung, Vertragsauflösung, außerordentliche Kündigung,

e) Gegen Beamte der Hochschule: Einleitung eines beamtenrechtlichen Disziplinarverfahrens mit den dort vorgesehenen, auch einstweiligen, Maßnahmen,

f) Strafanzeige an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft,

g) Ordnungswidrigkeitenanzeige an die zuständige Behörde,

h) Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche – auch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes –, insbesondere auf Schadensersatz, Herausgabe oder Beseitigung/Unterlassung,

i)   Geltendmachung etwaiger öffentlich-rechtlicher Ansprüche, auch im Wege einstweiligen Rechtsschutzes,

j)   Einleitung eines Verfahrens zum Entzug eines akademischen Grades oder Anregung der Einleitung eines solchen Verfahrens.

(2)   Andere als die in Absatz 1 genannten Sanktionen und Maßnahmen können nur verhängt werden, wenn sie in Ansehung der Rechtsgüter und berechtigten Interessen der beschuldigten Person verhältnismäßig sind.

§ 28  Übergangsvorschriften

(1)   Die Tatbestände wissenschaftlichen Fehlverhaltens nach § 21 gelten nur für Taten, die begangen wurden, als diese Satzung bereits in Kraft war.

(2)   Die Verfahrensvorschriften dieses Abschnitts gelten nur für Hinweise, die ab dem Inkrafttreten dieser Satzung eingehen. Bei Inkrafttreten dieser Satzung bereits in Gang befindliche Vorermittlungs-, Vorprüfungs- und Untersuchungsverfahren werden nach den bisher geltenden Verfahrensregelungen zu Ende geführt.


Abschnitt IV: Inkrafttreten
 

§ 29  Inkrafttreten

Diese Satzung tritt am 2. Mai 2023 in Kraft und ersetzt die Richtlinie vom 1. Juni 2016.

 

Ausgefertigt auf Grund des Beschlusses des Senats der Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu-Ulm vom 28.03.2023 sowie der Genehmigung durch die Präsidentin vom 18.04.2023.

 

Neu-Ulm, den 18.04.2023

 

Prof. Dr. Uta M. Feser
Präsidentin
Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu-Ulm

 

Niederlegung: 18.04.2023
Tag der Bekanntmachung: 18.04.2023                                                                                                                

 

 


[1] z. B. Zuständige Stelle bei Drittmitteln: Drittmittelgeber, bei Zeitschriften: Herausgeber